Sebastiano Tomas grafische Novelle "NORMAL LIFE" ist eine epische Deklaration:

aufrüttelnd, dramatisch, bitterkomisch, lesbar und vor allem notwendig.

Die skurrilen Erinnerungen von Nora und Elvis offenbaren eine Geschichte, der ein Nein eingeschrieben ist. Eine Auflehnung gegen die Entmenschlichung inmitten der Norm, die das nicht Normale in Menagerien und Circus für Grusel und Ulk ausstellte. Seltene Menschen wurden vorgeführt, um die verlegene Überlegenheit zu ergötzen. Für die (kolonial geprägte) Welt waren sie nur Missgeburt, die für Geld aus sicherer Entfernung begafft werden konnte. Für die Wenigen aber - und Sebastiano Toma gehört dazu - die sich ihnen einfühlten und ihre Nähe teilten, waren sie empfindsame, denkende und begabte Wesen mit echter Fantasie, neugierig und herzensgute Geschöpfe. Es ist merkwürdig und aufwühlend, wie Nora und Elvis die Welt und ihr Leben erzählen - feinsinnig und einfach, unerschrocken, aber nicht ungetrübt. Damit ihre Erscheinung nicht entwertet werde, wurden sie einst zu geschützten Wundern in einer sie ausbeutenden Umgebung, die zugleich Erfüllungsort und Refugium war.

Der Bühnenbildner und Regisseur poetischer Zirkus-Kaleidoskope, Sebastiano Toma veranschaulicht die Erfahrungen von Nora und Elvis auf je einem die Doppelseiten füllendem Panel – mit fantastisch traumartigen Großkompositionen, die angemessen krass und melancholisch zart dem Leben von Nora und Elvis eine bildhafte Stimme geben.

Schroff markiert die Strichführung das Unheimliche. Und die mit den Mitteln der Verzerrung, der Übertreibung und sarkastischen Mimik bewirkten Grotesken spielen grafisch auf der Klaviatur eines Kosmos, wie er im Circus gang und gäbe war.

Su Tiqqun /24.3.2024